RUSSLAND: GEHEIMDIENSTE WARNEN VOR PUTINS KILLERKOMMANDO „29155“

Die Spezialeinheit soll für den russischen Militärgeheimdienst Sabotageaktionen und Mordanschläge begangen haben. Ziel des Kremls ist die Destabilisierung europäischer Staaten – vor allem eines Landes.

Westliche Geheimdienste haben vor einer Ausweitung russischer Kommandoaktionen gewarnt. Im Fokus steht dabei eine russische Cybergruppierung, die mit der Spezialeinheit „29155“ des russischen Auslandsgeheimdienstes GRU in Verbindung stehen soll.

So steht es in einem von den US-Sicherheitsbehörden CISA, dem FBI und der NSA am Donnerstagabend veröffentlichten Bericht, der die Erkenntnisse unterschiedlicher westlicher Nachrichtendienste zusammenfasst. Auch Informationen des deutschen Bundesamts für Verfassungsschutz flossen in die Analyse ein.

Der CDU-Sicherheitspolitiker Roderich Kiesewetter wertet die Erkenntnisse als weiteren Beleg für die hybride Kriegsführung Russlands. Mit Blick auf die Einheit „29155“ sprach er von Staatsterrorismus.

Brisant sei, dass Deutschland speziell im Fokus stehe, „weil wir es Russland besonders einfach machen“, sagte Kiesewetter dem Handelsblatt. Ein „großer Teil der Gesellschaft und Politik“ sei naiv gegenüber dem Vorgehen von Autokratien und Terrorstaaten. Zudem seien die deutschen Sicherheitsbehörden „schlecht gegen hybride Angriffe gewappnet“.

Die 2009 gegründete Kommandoeinheit „29155“ des russischen Auslandsgeheimdienstes GRU gilt als Putins Killerkommando. Die geheime Gruppe ehemaliger Soldaten wurde für verdeckte Operationen im Ausland ausgebildet. Ziel der Einheit ist es demnach, europäische Länder zu destabilisieren und so die Europäische Union zu schwächen.

Nachrichtendienste rechnen ihr etwa Sabotageoperationen und Mordanschläge zu, darunter den Giftanschlag auf Sergej Skripal im Jahr 2018. Die Truppe soll außerdem die Aufgabe haben, Umsturzversuche auszuführen. Die Einheit soll hinter dem 2016 gescheiterten Staatsstreich in Montenegro gestanden haben.

US-Justiz klagt mehrere Russen wegen Cyberangriffs an

Seit 2020 verübt die Truppe auch Cyberangriffe. Die Hacker sollen etwa für die „Whisper-Gate-Kampagne“ verantwortlich sein, bei der in der Nacht vom 13. auf den 14. Januar 2022 eine Schadsoftware gegen IT-Systeme ukrainischer Regierungsstellen eingesetzt wurde, die Daten auf den infizierten Systemen unwiederbringlich überschreibt. Kurz darauf seien auch zahlreiche Regierungsseiten der Ukraine angegriffen worden.

Wegen dieser Aktion ist jetzt in den USA gegen mehrere Mitglieder des russischen Militärgeheimdienstes Anklage erhoben worden. Wie das US-Justizministerium mitteilte, wurde mit dem groß angelegten Hackerangriff auf die ukrainische Regierung Anfang 2022 der Großangriff Russlands am 24. Februar vorbereitet.

Der Fall passt zu den jetzt veröffentlichten Erkenntnissen der Geheimdienste, wonach die Einheit ihre Cyberaktivitäten in den vergangenen Jahren intensiviert hat. Dabei würden auch nichtstaatliche Akteure wie Cyberkriminelle in Operationen eingebunden, teilte das Bundesamt für Verfassungsschutz mit. Die Cyberangriffe dienten der Spionage und der Sabotage.

Den Geheimdiensterkenntnissen zufolge soll die „Einheit 29155“ auch Netzwerke in Nato-Mitgliedstaaten in Europa und Nordamerika sowie Ländern in Lateinamerika und Zentralasien angegriffen haben, wobei zunächst unklar blieb, ob die Angriffe erfolgreich waren.

Um spätere Cyberangriffe vorzubereiten, fokussieren sich die Aktivitäten auf das Auslesen von Daten. Unter den bekannten Zielen befänden sich kritische Infrastruktur sowie Regierungsstellen und Firmen aus den Bereichen Finanzen, Transport, Energie und Gesundheit, erläuterten die Verfassungsschützer.

Nach Erkenntnissen der Kölner Behörde wurden bereits mehr als 14.000 Fälle von sogenanntem Domain-Scanning in 28 Nato- und EU-Ländern registriert, darunter auch Deutschland. „Seit Anfang 2022“, so das Bundesamt weiter, „scheint die primäre Absicht des Akteurs darin zu bestehen, Hilfsleistungen für die Ukraine auszukundschaften und zu stören“.

Wie intensiv Russlands Bestrebungen sind, die Unterstützung der Ukraine zu schwächen, zeigt ein 277-seitiges FBI-Dossier, das jetzt im Zuge eines weiteren Gerichtsverfahrens in den USA veröffentlicht wurde. Auch interne russische Dokumente sind Teil des Berichts. Aus ihnen geht hervor, dass die russische Führung mit großem Aufwand versucht, über Onlinenetzwerke gesellschaftliche Konflikte in westlichen Ländern zu schüren.

FBI-Dossier enthüllt Kremlstrategie gegen Deutschland

Dabei scheinen die Russen die Bundesrepublik als schwächstes Glied im westlichen Bündnis ausgemacht zu haben. „Die Deutschen sind abhängiger als die Franzosen“, zitieren die amerikanischen Bundespolizisten aus einem Protokoll einer Beratung von Kremlstrategen – offenbar eine Anspielung auf die Energiekrise. Daher richte sich Russland mit maßgeschneiderten Internetbeiträgen an das deutsche Publikum.

„Als Erstes müssen wir die USA, Großbritannien und die Nato diskreditieren", heißt es in einem weiteren russischen Dokument, auf das sich das FBI bezieht, „und zweitens die Wahrheit über den Krieg in der Ukraine verbreiten.“ Wobei es hier nicht um objektive Fakten, sondern die Weltsicht des Kreml geht. Man müsse die Deutschen davon überzeugen, sich der „ineffizienten Sanktionspolitik“ zu widersetzen.

Kiesewetter reagierte mit Besorgnis auf die FBI-Enthüllungen. Es zeige sich, dass Russland in Deutschland schon „sehr erfolgreich“ gewesen sei, sagte der CDU-Politiker. Der Kreml habe „nicht nur die Art der Diskursführung hierzulande zu seinen Gunsten beeinflusst“, sondern auch die gesellschaftliche Meinung und Teile der politischen Führung „nach russischem Gusto verändert“. Immerhin sei mit dem BSW „eine absolut kremlfreundliche Partei“ entstanden.

Durch die Wahlen in Sachsen und Thüringen, bei denen die Moskau-freundlichen Parteien AfD und BSW zwischen 40 und 50 Prozent der Stimmen erhielten, dürften sich die Propagandisten im Kreml in ihrer Strategie bestätigt sehen.

2024-09-06T14:32:03Z dg43tfdfdgfd