WESELSKY UND DIE SELTSAME ALLIANZ ZWISCHEN GDL UND POLIZEIGEWERKSCHAFT

Die GDL will künftig mit der Genossenschaft Fair Train, die Lokführer verleiht, der Bahn Konkurrenz machen. Nach der Tarifeinigung sollen GDL und Fair Train entflochten werden. Doch nun übernehmen gute Bekannte und enge Vertraute von GDL-Chef Claus Weselsky dessen Aufsichtsrat.

Claus Weselsky gab sich keine Mühe, sich von den neuen Kontrolleuren von Fair Train zu distanzieren: „Mein Freund Rainer Wendt“ werde den Vorsitz des Aufsichtsrats der Genossenschaft übernehmen, sagte der Chef der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL). Dabei hatten Weselsky und die Deutsche Bahn (DB) gerade in ihrer Tarifeinigung vereinbart, dass es eine „Entflechtung“ der GDL und der Genossenschaft Fair Train geben soll.

Die von führenden GDL-Funktionären gegründete Genossenschaft soll in Zukunft mit dem DB-Konzern um Lokführer konkurrieren. Die sollen bei Fair Train anheuern und dann wieder an die DB oder andere private Eisenbahnunternehmen zurück verliehen werden – zu besseren Bedingungen. So wollen Weselsky und die GDL die Folgen des Tarifeinheitsgesetzes aushebeln, das bislang dafür sorgt, dass nur in 18 von fast 300 Unterbetrieben des Konzerns der GDL-Tarifvertrag gelten soll.

Die Deutsche Bahn klagte dagegen vor Gericht, der Konzern wollte der GDL die Tariffähigkeit absprechen lassen, weil man nicht gleichzeitig konkurrierender Arbeitgeber und Gewerkschaft sein könne. Eine Entscheidung stand noch aus, Weselsky sprach dennoch von einem Angriff auf die Existenz der Spartengewerkschaft.

Nun soll der Rechtsstreit im Zuge der Tarifeinigung eingestellt werden, doch die Bahn verlangt im Gegenzug, dass es künftig eine Trennung zwischen GDL und Fair Train geben müsse. Der genaue Vergleichstext ist nicht bekannt, dem Vernehmen nach wurde aber vereinbart, dass niemand gleichzeitig in führender Position bei der Genossenschaft sein darf, mit dem die DB auch in künftigen Tarifauseinandersetzungen verhandelt.

Bislang waren GDL und Fair Train kaum voneinander zu unterscheiden: Geleitet wurde der Aufsichtsrat vom designierten Nachfolger von Claus Weselsky an der GDL-Spitze, Mario Reiß.

Doch der Vergleich mit der Bahn hat nun keineswegs zu einer klaren personellen Trennung geführt. Stattdessen kommt es jetzt zu einer Allianz der Nischen-Gewerkschafter. Kontrolliert wird die Genossenschaft künftig zwar nicht mehr von der GDL-Spitze direkt, dafür aber von Vertrauten und Bekannten von Weselsky aus anderen Sparten-Gewerkschaften.

Zum Aufsichtsratsvorsitzenden wurde mit Rainer Wendt der Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) gewählt. Auch hier gibt es mit der Gewerkschaft der Polizei (GdP) einen deutlich größeren Konkurrenten – ganz ähnlich wie bei der GDL und der größeren Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG). Wendt ist in der Öffentlichkeit zudem ähnlich umstritten wie sein Freund Weselsky.

Die beiden Männer duzen sich, man kennt sich lange und hat viele Gemeinsamkeiten. „Wir sind die einzigen beiden Gewerkschaftschefs mit CDU-Parteibuch und einem eigenen Song von Jan Böhmermann“, sagt Wendt im Gespräch mit WELT. Er scheint das Schmählied des ZDF-Komikers durchaus als Auszeichnung zu empfinden.

Auch ein weiterer neuer Aufsichtsrat ist Funktionär einer Sparten-Gewerkschaft: Andreas Kögler ist stellvertretender Vorsitzender der DPVKom, die vor allem bei den früheren Staatsunternehmen Telekom und Post aktiv ist. Dort dominiert allerdings die Gewerkschaft Verdi.

Keine besondere Eisenbahn-Expertise

Das Verhältnis zwischen den beiden Gewerkschaften gilt als ähnlich angespannt wie zwischen GDL und EVG. Schlagzeilen machte Kögler 2018, weil bekannt wurde, dass er früher als hauptamtlicher Mitarbeiter für das DDR-Ministerium für Staatssicherheit (Stasi) gearbeitet haben soll, wie BILD berichtete.

Kögler räumte die Tätigkeit damals ein. Mit besonderer Eisenbahn-Expertise fiel Kögler bislang nicht auf, für eine Stellungnahme war er am Donnerstag nicht zu erreichen.

Auch Wendt räumt ein, kein besonderer Bahn- oder Lokführer-Experte zu sein. Er sei lediglich seit vielen Jahren Nutzer der Bahn und habe früher auch eine BahnCard 100 gehabt. Allerdings sei er als Aufsichtsrat ja auch nicht am operativen Geschäft der Genossenschaft beteiligt, sondern solle Fair Train nur kontrollieren.

Wendt verspricht, seine persönliche Freundschaft zu Weselsky und das neue Mandat künftig strikt zu trennen. „Ich kenne meine Verpflichtungen als Aufsichtsrat“, sagt er. Schon gesetzlich sei er dazu verpflichtet, genau hinzuschauen und keine Informationen an seinen Freund Weselsky weiterzugeben. „Ich werde mein Aufsichtsratmandat genau so ausführen, wie es das Gesetz vorsieht“, sagt Wendt.

Allerdings hat ihm ein anderes Kontrollmandat in der Vergangenheit schon viel Ärger eingebracht. Weil er als Beamter eine Nebentätigkeit als Aufsichtsrat bei der Versicherung Axa nicht angemeldet hatte, wurde ein Disziplinarverfahren gegen Wendt eingeleitet.

Die neue Genossenschaft Fair Train sei „ein spannendes Projekt“. Noch lasse sich nicht absehen, wie erfolgreich das von der GDL gegründete Unternehmen als Leiharbeitsfirma sein werde. Immerhin sei es der GDL gelungen, nun einen „sehr guten Abschluss“ für die Lokführer zu erzielen, sagt Wendt. Das könne eine stärkere Anziehung auf Lokführer ausüben, da die neuen flexibleren Arbeitszeitlösungen nicht überall bei der Bahn gelten werden, wohl aber bei Fair Train.

Komplettiert wird der neue vierköpfige Aufsichtsrat von zwei Kontrolleuren, die bei der GDL aktiv sind. Allerdings auf eher niedriger, regionaler Ebene. Damit könnten formal die Bedingungen des Vergleichs mit der Bahn eingehalten sein. „Das sind ehrliche Leute, die GDL-Mitgliedschaft darf ein Aufsichtsratsmandat ja nicht ausschließen“, findet Wendt.

Eine klare Trennung sieht allerdings auch anders aus. Die Spitze der Lokführer-Gewerkschaft dürfte daher auch in Zukunft erheblichen Einfluss auf die von ihr gegründete Genossenschaft haben.

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