„FLUCHT NACH VORNE“ BEI SAP: WAS HINTER DEM RüCKTRITT DES TOP-MANAGERS STECKT

Rücktrittserklärung

„Flucht nach vorne“ bei SAP: Was hinter dem Rücktritt des Top-Managers steckt

Die Meldung von SAP schlug diese Woche hohe Wellen: Technologievorstand Jürgen Müller verlässt das Unternehmen. Der Grund: Sein Verhalten auf einer Firmenveranstaltung.

Walldorf – Bei SAP hat diese Woche ein erneuter Umbruch im Vorstand für Aufsehen gesorgt: Technologievorstand Jürgen Müller verlässt den Softwarekonzern Ende September, wie das Unternehmen mitteilte. Müller und der Aufsichtsrat hätten sich einvernehmlich über sein Ausscheiden geeinigt. 

„Unangemessenes Verhalten“: Cheftechnologe verlässt SAP

„Bei einer vergangenen Firmenveranstaltung kam es zu einem Ereignis, bei dem ich mich unangemessen verhalten habe“, teilte Müller mit. Er bedauere, dass er unüberlegt gehandelt habe und entschuldige sich aufrichtig bei allen involvierten Personen, so Müller. Sein Verhalten habe nicht die Werte bei SAP widergespiegelt. „Ich übernehme die volle Verantwortung und denke, dass mein Rücktritt das Beste für das Unternehmen ist“, teilte Müller weiter mit.

Details zu dem Vorfall nannten das Unternehmen und eine Sprecherin auf Nachfrage nicht. Aufsichtsratschef Pekka Ala-Pietilä dankte Müller in der Mitteilung „für seine signifikanten Leistungen“ und wünschte ihm für seine weitere Zukunft alles Gute. 

Müller arbeitet seit 2013 bei SAP und ist seit 2019 Mitglied des Vorstands. Den Großteil von Müllers Aufgaben übernimmt der Nachrichtenagentur Reuters zufolge vorübergehend Michael Ameling, Chef der BTP Foundation bei SAP. Der Bereich Sicherheit und Cyber-Sicherheit wird vorläufig vom Cloud-Vorstand Thomas Saueressig mitbetreut. 

„Augen zu und durch“: Die Rücktrittsmeldung von SAP sorgt für Aufsehen

Die Meldung sorgte auch wegen ihrer Klarheit für Aufsehen. Arbeitsrechtlerin Frauke Biester-Junker aus Düsseldorf spricht im Interview mit der Wirtschaftswoche von einer „Flucht nach vorne“. „Das Unternehmen hat eine sehr klare und nüchterne Nachricht veröffentlicht. Frei nach dem Motto: Augen zu und durch. Ich finde das gut, weil es mehr Ruhe in die Situation bringt“, so die Expertin.

Das Besondere daran sei zudem, dass Müller sein eigenes Statement abgebe und selbst sage, dass er sich unangemessen verhalten habe und, dass sein Rücktritt das Beste für das Unternehmen sei. „So etwas habe ich noch nicht oft erlebt. Meistens sagt man in vergleichbaren Fällen, dass eine Person ‚aus persönlichen Gründen‘ geht – aber dass der Beschuldigte so das Wort ergreift, ist ungewöhnlich“, erklärt Biester-Junker dem Magazin.

Doch wie kommt es zu so einer Rücktrittserklärung? „Wenn das Verhalten, das vorgeworfen wird, sexuell motiviert und belästigend ist und ein Machtgefälle ausgenutzt wird, sind solche Maßnahmen durchaus erforderlich“, meint die Arbeitsrechtlerin. „Besonders in einer Vorstandsposition, in der ein starkes Ungleichgewicht zwischen den beteiligten Personen besteht und eine Person sich vielleicht nicht in der Lage fühlt, sich zu wehren.“

Drei Vorstände verlassen SAP innerhalb kurzer Zeit – „Das ist auch eine Chance für SAP“

Was für Unruhe bei SAP sorgt: Es hatte erst vor kurzem mehrere Wechsel im Vorstand des Dax-Konzerns gegeben. So verkündete SAP Ende Juli den Abgang von Vertriebsvorstand Scott Russell sowie Marketingchefin Julia White. Nun kommt auch noch der Cheftechnologe Müller hinzu, dessen Vertrag laut Wirtschaftswoche erst im April verlängert wurde.

Müller habe sich jedoch offenbar bei einer Firmenveranstaltung einer SAP-Mitarbeiterin „in unangemessener Weise“ genähert, wie die Wirtschaftswoche unter Berufung auf Insider berichtet. Demnach habe es auch mehrere Zeugen für den Vorfall gegeben, die diesen über das SAP-interne Whistleblower-Tool gemeldet hätten. So eine Meldung würde dann laut Bericht direkt beim Compliance-Ausschuss des Aufsichtsrats landen. „Dann muss das Kontrollgremium reagieren, da gibt es keinen Spielraum“, sagte ein Insider der Wirtschaftswoche.

Nun verliert SAP seinen Cheftechnologen. Doch laut Insidern sei dies auch eine Gelegenheit, den Vorstand auf einmal neu zu sortieren. „Das ist auch eine Chance für SAP“, so ein Insider gegenüber dem Magazin. Mit Material der dpa

2024-09-06T19:31:51Z dg43tfdfdgfd