SUNAK EIN „KöNIGSMöRDER“? BRITISCHE TORY-PARTEI NACH JOHNSONS RüCKZUG VOR ZERREIßPROBE

„Aus dem Parlament gedrängt“

Sunak ein „Königsmörder“? Britische Tory-Partei nach Johnsons Rückzug vor Zerreißprobe

Der Partygate-Skandal in der Downing Street kostete Boris Johnson bereits das Amt des Premierministers. Jetzt tritt er auch als Abgeordneter zurück.

London - Boris Johnson hat sein Mandat als Abgeordneter im Parlament mit sofortiger Wirkung niedergelegt. Grund dafür sind die Untersuchungen eines Parlamentsausschusses rund um den „Partygate“-Skandal. Er behauptete, dass die Ergebnisse dazu dienen würden, ihn aus dem Parlament zu drängen. Dabei wurden erst vor wenigen Wochen weitere Verstöße gegen die Lockdown-Regeln veröffentlicht. Mit dem Rücktritt kam Johnson der Veröffentlichung der Ergebnisse zuvor. Dieser bedeutet auch eine erneute Herausforderung für die Tory-Partei.

Boris Johnson tritt zurück: Ex-Premier gibt sein Parlamentsmandat auf

Ein parlamentarischer Ausschuss untersucht derzeit, ob Johnson das Unterhaus im Zusammenhang mit unerlaubten Partys in der Downing Street während des Lockdowns bewusst belogen hat. Am Freitag (9. Juni) teilte er mit, dass er einen Brief vom Ausschuss erhalten habe, der deutlich mache, „dass sie entschlossen sind, das Verfahren gegen mich zu nutzen, um mich aus dem Parlament zu vertreiben.“ Er trete umgehend zurück, was „eine sofortige Nachwahl“ zur Folge habe.

Der Ausschuss habe jedoch „immer noch nicht den geringsten Beweis dafür erbracht, dass ich das Unterhaus wissentlich oder fahrlässig in die Irre geführt habe“, sagte der 58-Jährige weiter. Johnson prangerte das Komitee als „Scheingericht“ an. „Es ist sehr traurig, das Parlament zu verlassen - zumindest für den Moment -, aber vor allem bin ich fassungslos und entsetzt darüber, dass ich auf antidemokratische Weise aus dem Parlament gedrängt werden kann“, erklärte Johnson und warf dem Ausschuss „ungeheuerliche Voreingenommenheit“ vor.

Der bisher nicht veröffentlichte Bericht sei voller „Ungenauigkeiten und stinkt nach Vorurteilen“, fuhr der Ex-Premier fort. Er beklagte, keine „formale Möglichkeit“ zu haben, die Aussagen des Ausschusses anzufechten. Dessen Ziel „war es von Anfang an, mich für schuldig zu befinden, unabhängig von den Fakten“, fügte Johnson hinzu.

Boris Johnson tritt als Abgeordneter zurück: „Die Party ist vorbei - zumindest vorerst“

In dem Komitee sitzt eine Mehrheit von Abgeordneten aus Johnsons konservativer Partei. Der Ausschuss kann Sanktionen dafür verhängen, das Parlament irrezuführen, wie etwa eine Suspendierung. Ist diese länger als zehn Arbeitstage, führt sie in der Regel zu Nachwahlen im Wahlkreis des Abgeordneten. Mit Johnsons Rücktritt kommt es nun automatisch zu einer Abstimmung. „Die Party ist vorbei“, titelte die Times. Doch Johnson sagte auch, dass er das Unterhaus „zumindest vorerst“ verlasse.

Mit dem Rücktritt von Ex-Premierminister Boris Johnson steht die britische Tory-Partei endgültig vor einer Zerreißprobe. Der frühere Regierungschef fordert Amtsinhaber Rishi Sunak mit dem überraschenden Schritt direkt heraus. „Dies bedeutet de facto eine Spaltung der Konservativen Partei“, sagte David Campbell-Bannerman von der Conservative Democratic Organisation, einer lautstarken Gruppe innerhalb der Partei, der BBC. „Wir werden uns um Boris scharen.“ Der öffentlich-rechtliche Sender kommentierte, der Geist von Boris Johnson werde Sunak und die Konservative Partei weiter heimsuchen.

Johnsons Aus auch für Premier Rishi Sunak gefährlich - Folgen weitere Rücktritte?

Als Johnson im Sommer 2022, gedrängt von seiner Fraktion nach einer Reihe von Skandalen, aus der Downing Street auszog, habe die oppositionelle Labour-Partei nur geringen Vorsprung in den Umfragen gehabt. Dieser sei nun massiv gewachsen. Viele Parteimitglieder sehen Sunak als „Königsmörder“, der mit seinem eigenen Rücktritt im Juli 2022 für Johnsons Aus verantwortlich sei.

Alles in allem könnte Johnsons Rücktritt für Premier Sunak ernste Folgen haben. In London schwirren Gerüchte herum, weitere Abgeordnete würden ihren Rücktritt vorbereiten. Das würde zu Neuwahlen führen und damit auch ein Regierungsende der Tories bedeuten. „Der heutige Abend ist für Rishi Sunak zutiefst peinlich, denn seit er Premierminister geworden ist, hat er versucht, sich selbst als alles zu definieren, was Boris Johnson nicht war“, schreibt die BBC. Transparenz und Verantwortung hatte Sunak versprochen.

Trotz Johnson-Rücktritt: Parlamentsausschuss will Bericht bald veröffentlichen

Johnson sei ein politischer Titan, sagte Johnsons Vertraute Priti Patel. Knapp zwei Drittel der Tory-Wähler denken einer Umfrage zufolge weiter positiv über „Boris“, den viele noch immer als einzigen geeigneten Wahlkämpfer der Tories sehen. Nicht ausgeschlossen, dass der strahlende Wahlsieger von 2019 bei der für 2024 geplanten Parlamentswahl doch wieder antritt.

Etwas Gegenwind aber gibt es dann doch für Johnson. Als Reaktion auf Johnsons Rundumschlag lässt der Parlamentsausschuss mitteilen, der Ex-Premier untergrabe die Integrität des Unterhauses. Der Bericht soll nun bald veröffentlicht werden. „Nicht eine Minute“ dürfe man denken, „dass dies das Ende von Boris Johnson sei“, kommentiert der BBC-Korrespondent Chris Mason. Vielmehr sei es wieder einmal ein Tag für das, was Johnson am besten kann: Schlagzeilen machen. (vk/dpa/afp)

2023-06-10T10:04:59Z dg43tfdfdgfd